Die Schäffler tanzen wieder!
Schäfflertanz Sonderedition 2022 - Schäfflertanz für das Leben
Am Freitag, den 6. Mai tanzten die Schäffler aus ganz besonderem Anlass bei uns in der Innung.
Mit ihrem Tanz außer der Reihe – normalerweise tanzen sie nur alle sieben Jahre - wollten die Schäffler ein positives Zeichen für das Leben setzen, das jetzt vorsichtig wieder beginnt.
Auf der Ansteckplakette steht geschrieben: „Schäffler gegen Corona“ mit dem Zusatz: „Zupf di“
Bei in ganz München nur insgesamt 30 exklusiven Auftritten an 4 Tagen waren wir einer davon.
Der Obermeister begrüßte auf dem Schäffler-Fass stehend die Mitglieder mit ihren Familien, die versammelte Prominenz aus Handwerk und Stadt, die Kindergartengruppen mit ihren Betreuerinnen und natürlich ganz besonders herzlich die Schäffler.
Bei dieser Gelegenheit gratulierte er unserem Ehrenobermeister Uli Faßnacht zum Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, das er in dieser Woche vom stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidenten verliehen bekommen hatte.
Er stellte dann die Frage: „Warum sind Bräuche wichtig?“ und fuhr fort: „Durch Traditionen gewinnt der Mensch Sicherheit und Stabilität. Sie schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl und stiften Identität, bringen Ordnung in den Alltag, helfen Krisen zu bewältigen, ermöglichen Begegnung und Beziehung. Dafür müssen sie aber immer wieder eingeübt und erprobt, vorgelebt und erneuert werden.
Und Sie liebe Gäste sind Beweis genug dafür!
Sie sind gekommen, um Tradition und Kultur zu leben, zu erleben und zu würdigen!“
Besonders berührend war die Teilnahme der vielen Kinder, die natürlich in der ersten Reihe stehen durften. Ihre leuchtenden Augen – bei gerußten Nasen - machten die gesamte Veranstaltung noch schöner.
Hier wollen wir einmal die Gelegenheit nutzen, den Festprolog des Münchner Kindls in voller Länge abzudrucken, ergänzt um die Worte, die das Münchner Kindl aus aktuellem Anlass hinzugefügt hat.
Festprolog des Münchner Kindls
Als einst vor bald fünfhundert Jahr,
ein Städtchen unser München war,
da kam die Pest als grimmer Gast
und raffte wohl ein Drittel fast
der braven Bürgerschar dahin,
so steht es in der Chronik drin.
Die ganze Stadt war öd und leer,
es stockten Handel und Verkehr,
es blieb ein jeder still zu Haus
und Trauer war und Not und Graus.
Da bracht´ die wack´re Schäfflerzunft
die Leute wieder zur Vernunft.
Denn junge Burschen frisch und keck,
die noch das Herz am rechten Fleck,
die zogen da mit Fass und Kranz
von ihrer Herberg´ aus zum Tanz.
Dass sie´s getan, das war wohl gut,
die Bürger fassten neuen Mut
und überwanden Sorg´ und Not,
die ihnen bracht der schwarze Tod.
Der schöne Brauch vom alten Schlag,
ein Sinnbild ist´s für uns´re Tag.
Wie traf der Krieg die Stadt so hart,
wie eng war´n Not und Leid gepaart
und wie hat Mut und frische Kraft
an ihrem Aufbau dann geschafft.
So grüßen wir den alten Brauch,
der heute noch geübt wird auch
und den uns alle sieben Jahr
auf´s neue zeigt die Schäfflerschar.
Mög´ ihre Kunst noch lange blüh´n
und wie aus Buchs die Kränzlein grün,
verwelken nicht.
In ernster Zeit schenk´ sie uns frohe Heiterkeit!
Sind wieder sieben Jahr´ vorbei,
ersteht der Brauch uns wieder neu.
In München, wie in alter Zeit,
zu seiner Bürger Lust und Freud.
(von Hermann Roth)
Ergänzung aus aktuellem Anlass
In ernster Zeit schenk´ sie (die Schäfflerschar, Anm. d. Red.) uns frohe Heiterkeit!
Dass abermals die Pest so schnell entfacht,
das hätte sich kaum einer gedacht.
Trotz Hygiene und Sauberkeit,
macht sich Corona weltweit breit.
Mein Prolog ist aktuell,
damals wie heute
und meine Aufgabe ist es nun,
die Angst zu nehmen aller Leute.
Deshalb tanzen die Schäffler wie´s damals war,
in München auf den Straßen auch in diesem Jahr.
Der Brauch wird weiterhin besteh´n,.
und wir werden uns 2026 sicher wieder seh´n.
Der Tanz selber war wieder die Schau. Jeder kann nur darüber staunen, wie selbstverständlich die Schäffler die kompliziertesten Figuren souverän beherrschen. Da gibt es z.B. den Lindwurm, die Laube, das Kreuz, die Krone – eine Figur schöner als die andere.
Wenn der Reifenschwinger Christian Härtl schließlich nach 20 Minuten das Fass besteigt, wird er zum kühnen Jongleur. Das Glas Schnaps, das er virtuos im Reifeninneren rotieren lässt, fällt nicht nur nicht herunter, sondern es verliert auch nicht einen Tropfen seines Inhalts. Den Schnaps bekommt hinterher der Obermeister „eingetrichtert“.
Die kurze Ansprache von Christian Härtl, in der er Zuversicht und Hoffnung vermittelte, rührte alle.
Im Anschluss lud die Innung wie gewohnt zum frischen Augustiner vom Fass, sowie Leberkäs und Brezn ein. Schade, dass die Schäffler schon nach einer halben Stunde wieder zum nächsten Auftritt weitermussten.
Zuvor überreichte Christian Härtl Obermeister Romanow die Schäfflerchronik „Aba heit is koit“ mit persönlicher Widmung für die gesamte Innung – eine große Ehre.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass unsere Innung seit 2012 auch die Landesinnung Bayern der Schäffler, Böttcher und Weinküfer betreut. Gleich in diesem Jahr fand der reguläre Schäfflertanz – auch bei uns in der Ungsteiner Straße statt. Allerdings sind die Schäffler als Innungs-Handwerker und der Fachverein der Schäffler zwei paar Schuhe. Während die ersteren die Berufsgruppe vertreten, sind die letzteren Vertreter des Brauchtums des Schäfflertanzes (siehe nachfolgenden Kasten).
Willi Schmid, der Obermeister der Innung und zugleich Vorsitzender des Fachvereins der Schäffler ist, hat es unsere Innung also zu verdanken, dass wir immer wieder in den Genuss des großartigen Tanzes kommen. Schmid verriet, dass die außertourliche Saison 2022 mit 4 Tagen und maximal 8 Auftritten ein Klacks ist im Vergleich zu den 5 – 6 Wochen im regulären Turnus, wo bis zu 12 Auftritte am Tag absolviert werden und ca. 400 insgesamt. Danach sind die Tänzer dann wirklich urlaubsreif.
Die meisten Gäste blieben danach gerne noch eine Weile, um diesen schönen Vormittag im fröhlichen Beisammensein zu genießen.
Sogar die Zunftkleidungsträger der Innung erhielten ein Lob. So schrieb die Leiterin einer Vorschulgruppe ein paar Tage später an die Innung: „Ich wollte Ihnen auch gerne noch einmal danken – die Kinder sprechen nach wie vor vom Schäfflertanz und den „schönen Männern mit den weißen Mänteln!“ Es war ein unvergessliches Erlebnis!“
Auf jeden Fall vormerken: 2026 im Februar findet der Schäfflertanz wieder ganz regulär bei uns in der Innung statt.
Wir freuen uns schon jetzt darauf und danken den Schäfflern von ganzem Herzen!
Der Ursprung des Schäfflertanzes
Die Entstehung des Schäfflertanzes in München datiert vom Jahre 1517, woselbst in München die Pest auf grauenhafte Weise wütete. Die Pest herrschte in München mehrmals, nämlich in den Jahren 1463, 1515 und 1517. Die erste dieser Seuchen dauerte von Weihnachten 1462 bis Michaeli 1463. Aber auch noch später, im Jahre 1643 trat dieselbe nochmals auf und raffte die ungeheure Zahl von 15.000 Menschen weg. Bei dieser letzten Periode waren zwar die Vorsichtsmaßnahmen weit zweckmäßiger als bei den früheren Erscheinungen; trotzdem konnte derselben doch kein Damm gesetzt werden. Es waren damals in München nur zwei Tore offen, das Neuhauser- und das Isartor. Beide Tore waren stark bewacht und niemand durfte ohne Vorweisung der Gesundheitspässe und genaueste Untersuchung herein. Angekommene Briefe an Kaufleute wurden geräuchert und das Geld mit Essig gewaschen, ferners wurden an den Ein- und Ausgängen der Straßen eiserne Ketten befestigt, um dieselben nach der Quere zu ziehen, wenn die Ansteckung in der einen oder anderen Straße zu befürchten war. Da aber die Leute dessen ungeachtet durchschlüpften, so wurden die Straßen, in denen sich Pestkranke befanden, mit Brettern verrammelt, was namentlich in der Eisenmanns-, Damenstifts und Kreuzgasse der Fall war. Auf den Straßen wurden Feuer unterhalten und Wacholdersträucher verbrannt.
Während der Pest 1517 aber waren noch keine so umfangreichen Maßregeln getroffen und es starben Tausende dahin. Alles schwebte in furchtbarer Todesangst; außer den Totengräbern und Pesträucherern wurde niemand auf der Straße gesehen; die Landleute getrauten sich nicht in die Stadt und es trat großer Mangel an Lebensmitteln ein. Das Elend hatte die höchste Stufe erreicht und selbst nach dem Verschwinden der Pest wagte sich lange Zeit niemand aus dem Hause, aller Verkehr stockte. Die Ärzte konnten für dieses Übel nicht helfen und man befürchtete, dass dieser Zustand zu neuen Krankheiten Anlass gebe.
Da geriet ein einsichtsvoller Bürger – leider ist dessen Name nicht überliefert – auf den Gedanken, ein entgegengesetztes Mittel zu gebrauchen und die Leute, statt mit ihnen zu jammern und zu wehklagen, durch ein lustiges Schauspiel aufzuheitern. Dieser wackere Bürger gehörte zu der Zunft der „Schäffler“. Zur Ausführung seines Planes schlossen sich die Schäffler alle mutig an und auf seine Anregung ließen sich auch die „Metzger“ herbei und es halfen alle getreulich zusammen, wodurch auch der Metzgersprung entstand, der von demselben Jahre datiert.
Während die von der Pest verschonten bleich und abgemagert, vom Elend zusammengekauert in peinlicher Furcht noch immer in verschlossenen Stuben saßen, erscholl eines Tages auf einmal fröhliche Musik in den Straßen. Alles eilte an die schon lange nicht mehr geöffneten Fenster und siehe da, die Schäffler zogen in aufgeputzten Scharen nach dem Marktplatze, wo sie mit grünbelaubten Reifen einen Rundtanz aufführten und die „Gretl mit der Butten“ – an deren Stelle später die „Hanswursten“ traten – ergötzte Alt und Jung mit ihren Späßen. Alles strömte aus den halb ausgestorbenen Häusern dem Zuge nach und lachte herzlich. Viele waren gestorben, manche aber, von denen der eine den anderen längst tot glaubte, traf sich. Bald wurde es wieder lebhaft in den Straße, die Glocken ertönten zu Dankgebeten. Alles kehrte zur Ordnung und zur Arbeit mit erstarktem Mute zurück. Da hiermit die Schäffler ihren Zweck erfüllt hatten, durchzogen sie nach dem Tanze in feierlichem Zuge unter Klängen feierlicher Musik sämtliche Straßen der ganzen Stadt. – Nachdem die Schäffler ihren Tanz beendet hatten, sprangen die Lehrlinge der Metzger in den Fischbrunnen zum Zeichen, dass die Luft und das Wasser rein seien.
Dieses ist der Ursprung des „Schäfflertanzes“, welcher in jener Zeit von dem Haus des so genannten „Himmelsschäfflers“ am Färbergraben seinen Auszug hielt und welches Haus mit der Nummer 20, dortselbst gestanden hat. Im Jahre 1631 wurde es neu erbaut und mit dem Bilde: „Zwei Schäffler, ein Fass bindend“, versehen. Darunter stand folgende Inschrift:
„Hier ward es zum Himmelsschäffler genannt und es kam von hier aus der Schäfflertanz. Erbaut 1631. Renoviert 1. 1784, 2. 1821, 3. 1877.